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Eine vergleichende Analyse der europäischen und arabischen Revolutionen des 20. und 21. Jahrhunderts

Abstract: Vor 175 Jahren erhob sich in den Staaten des Deutschen Bundes die Bevölkerung gegen das Wiener-Kongress-System Metternichs von 1815. Die Forderungen nach nationalstaatlicher Einheit, Gleichheit und Freiheit sowie sozialer Ausgewogenheit waren nicht neu. Sie waren schon Ausdruck der französischen Revolutionen von 1789 und 1830. Inwieweit gibt es nicht nur Verbindungen zwischen diesen Revolutionen, sondern auch zu den revolutionären Transformationen im arabischen Raum während des 20. und 21. Jahrhunderts, und wo gibt es Diskrepanzen?

Problemdarstellung: Welche demokratietheoretischen sowie nationalstaatlich-prozessualen Erkenntnisse kann man bei der vergleichenden Betrachtung der Revolutionen von 1789, 1848/49, 1956 und 2008 bis heute im Orient und Okzident ziehen?

Bottom-line-up-front: Die Revolution von 1848/49 war ein Meilenstein für den europäischen Demokratisierungs- und Einigungsprozess der Nationalstaaten innerhalb Europas. Sie war eine Inspiration für die panarabische Bewegung. Wenn auch hier der Ruf nach Befreiung von den ehemaligen Kolonialmächten unüberhörbar war, so blieb diese Bewegung doch fernab jegliche demokratischen Erneuerungen.

Was nun?: Europa sollte in den Entwicklungsstaaten vor allem der arabischen Region im Bildungswesen, der zivilen, aber auch militärischen Forschung werben und investieren.

French Revolution

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Sozioökonomische Verwerfungen als Basiselement politischer Revolutionen

Friedrich Meineke schrieb 1948 zur Deutschen Revolution des Jahres 1848/49: „Die deutsche Revolution von 1848 zeigt nun gewiß nicht nur allenthalben den oft über das Wirkliche hinwegfliegenden und ideologisch werdenden Idealismus, sondern auch – kausal noch mächtiger – das Wirkliche selber, die massiven und elementaren Interessen der Menschen und sozialen Gruppen …“.[1] Die Französische Revolution war ab Herbst 1788 eine sozioökonomische Auseinandersetzung zwischen den privilegierten und den weniger privilegierten Klassen. Abbe Sieyès (1748–1836) schrieb nicht umsonst in seiner Abhandlung zum „Dritten Stand“, es gelte uneingeschränkt die volonté générale, also das Hinwegfegen der Privilegien des königlichen Hofes und nicht des Königs allein, denn eine homogene Ordnung schließe gänzlich Sonderrechte aus, weil diese denn auch auf subsumierenden Rechten und Gesetzen beruhten. Somit sei die Nationalversammlung der Ort der Legitimation, gestützt durch die Generalstände.[2]

Es war die sozioökonomische Krise zwischen 1788 und 1789, die zur Politisierung und zugleich zur Nationalisierung der französischen Gesellschaft im 19. Jahrhundert führte. „Sous l’influence simultanée d’une crise économique et de la convocation des États génèraux ces deux causes se combinerent pour créer une méntalité insurrectionelle.“[3] Dieses Zitat von Georges Lefebvre macht nochmals deutlich, wie verbunden die Industrialisierung mit den sozialen Umwälzungen und der Politisierung der französischen Gesellschaft war.

Aber genauso wie diese Revolution für Deutschland einen Traum von Freiheit verhieß, war sie für Deutschland auch Trauma durch die napoleonische Nachfolgeära.[4] Die Industrialisierung war gleichzeitig für den Deutschen Bund in der Zeit nach dem Wiener Kongress 1814/15 nicht nur ein Aufbruch zum Positiven, sondern auch zur Pauperisierung ganzer Schichten in den deutschen Staaten.[5] Der Wiener Kongress und seine Schlussakte 1815 waren nicht auf nationale Einheit und Demokratisierung, geschweige denn auf revolutionäre Freiheitsbestrebungen ausgerichtet, genauso wenig wie in Tunesien oder Algerien beziehungsweise gar Ägypten. Bourguiba und Jamel Abdel Nasser waren diejenigen, die mit der Antikolonialbewegung der 50er Jahre des vorangegangenen Jahrhunderts nicht nur die dortigen Fremdherrscher entmachteten, sondern auch die beyistisch-islamisch-konservativ-monarchistischen Strukturen.[6] Die Einführung kompletter laizistischer-präsidialer Strukturen führte erst zur panarabischen Revolution und Staatlichkeitsbildung, wenn auch anders als in der westlichen Hemisphäre.

Die Industrialisierung war gleichzeitig für den Deutschen Bund in der Zeit nach dem Wiener Kongress 1814/15 nicht nur ein Aufbruch zum Positiven, sondern auch zur Pauperisierung ganzer Schichten in den deutschen Staaten.

Somit war auch die Deutsche Revolution vor 175 Jahren nichts anderes als die Antwort auf die soziale wie die konstitutionelle Disposition, wie sie einst auch die Frage in der Französischen Revolution 1789 wie in der Julirevolution 1830 war. Damit war sie auch eine nationale Auseinandersetzung, so wie auch die Antikolonialisierung des Maghreb eine nationale und soziale Frage darstellte und wie auch die sogenannte Jasminrevolution und die folgenden militärischen Verwerfungen seit dem Jahre 2010/11 im Nahen Osten nichts anderes darstellen als die Suche nach einer neuen sozialen und konstitutionellen Antwort. Genauso wie die Französische Revolution 1788/89 auch eine Großmachtfrage darstellte, wie die Pillnitzer Erklärung von 1791 durch das Königreich Preußen und die Habsburgermonarchie deutlich offenbarte, und wie auch die radikalen Kräfte in Frankreich selbst – vor allem die Girondisten – es explizit als Weg ansahen, um der Inflation und der allgemeinen Wirtschaftskrise zu entgehen, indem sie gegen Europa einen Krieg fokussierten, der dann von Napoleon erfolgreich bis 1815 fortgesetzt wurde, so war auch die Deutsche Revolution 1848 eine dualistische Großmachtfrage zwischen Österreich-Ungarn und Preußen, die bis zur militärischen Entscheidung 1866 anhalten sollte.[7] Sie war aber genauso eine konstitutionelle Frage zur Ausgestaltung des Nationalstaates, wobei sich diese Disposition von der französischen des Jahres 1789 insofern unterschied, dass sie einer Robespierrschen Schreckensherrschaft mit nachfolgendem Bonapartismus entging, weil es um die Austarierung zwischen liberalem Parlamentarismus, monarchistischer Letztinstanz und sozialer Republik ging.[8] Somit war die Deutsche Revolution 1848/49 durchaus eine politisierende, aber auch eine sozioökonomische. Wenn man diese sogar noch genauer erfassen möchte, war sie laut dem Oberpräsidenten der preußischen Rheinprovinz, Franz August Eichmann, eine nationale Bewegung, herbeigeführt durch eine bürgerliche Revolution, die die Schichtenspezifität offengelegt hätte.[9]

Somit war die Deutsche Revolution 1848/49 durchaus eine politisierende, aber auch eine sozioökonomische.

Man kann jedoch kaum die bürgerliche Revolution von der sozialen Revolution trennen. Es ist unbestritten, dass die Revolution die Folge aufeinanderfolgender Krisen war, sowohl die französischen Revolutionen 1789 und 1830 wie auch die europäischen Revolutionen 1848/49, wie auch die arabischen „Revolutionen“ beziehungsweise Putsche ab 2008 und 2010/11. Zunächst brach eine Agrarkrise von 1845-47 aus, in Tunesien 2006–2007, darauf folgte eine Teuerungskrise mit Missernten 1845/46, die breite Bevölkerungsschichten traf. Selbiges gilt für Ägypten, Tunesien und teilweise Libyen 2008/09 mit den massiven Missernten, die zu einer Brotkrise führten und in Süd-Tunesien zu den ersten Brotaufständen.[10] Diese Ernährungskrise traf zwischen 1845 und 1847 den Konsumgüterbereich in voller Breite und damit auch das Gewerbe, insbesondere die Textilindustrie. Gleichzeitig jedoch schuf der Bau der Eisenbahn im Zuge der Industriellen Revolution gerade in der Schwerindustrie neue Arbeitsplätze, weil gerade hier ein separater Konjunkturaufschwung möglich wurde, der bis 1847 auch anhielt.[11] Für die Entwicklungsstaaten in Nordwestafrika, insbesondere Tunesien, Ägypten, Algerien sowie auch Mauretanien, war das Jahr 2008 genauso eine Zäsur wie in Deutschland und Europa die Jahre 1845–1847, weil auch die Brotkrise 2008 einen direkten Einfluss auf die Konsumgüterindustrie hatte und hier insbesondere auf die Textilindustrie, die sogar noch intensiver getroffen wurde als in Europa im 19. Jahrhundert. Das Fatale an dieser sozioökonomischen Situation ist, dass es gerade im Maghreb und der gesamten Arabischen Liga keinen schwerindustriellen Komplex gibt und damit die Nahrungsmittelkrise des Jahres 2008 nicht aufgefangen werden konnte, was letztlich auch die Putsche zwischen 2010 und 2014 beispielsweise in Ägypten, Tunesien und im Jemen stützte.[12]

Die Wirtschaftskrise im Deutschen Bund Mitte des 19. Jahrhunderts führte zu einer Kreditnot, die das Kleingewerbe traf und damit auch die unteren sozialen Schichten. Es musste quasi bereits 1847, genauso wie im Maghreb 2008, zu Hungerunruhen kommen, die sich dann 1848 in einer allgemeinen Revolution entluden, wie sie sich 2010/11 in Tunesien ebenfalls ihre Bahn brach. Auch wenn die Nahrungsmittelkrise der Jahre 1845/46 bereits im Frühjahr 1848 überwunden zu sein schien, so war es doch die allgemeine Wirtschaftskrise, die zu einer politischen Revolution 1848/49 führte, wie einst auch die Französische Revolution sowohl 1789 wie 1830 aus der wirtschaftlichen Schieflage entsprungen war. Wenn man sich die Struktur der revolutionären 1848er Bewegung ansieht, so ist nach Klaus Schönhoven festzustellen, dass gerade dort Unruhen waren, wo die Modernisierung durch Industrialisierung weit fortgeschritten war und die Agrarreformen zwar eingeleitet, aber vom Adel teilweise zum Erliegen gebracht worden waren. Letztlich kam es auch dort zu Unruhen, wo durch die napoleonische Herrschaft manche Landesgebiete des Deutschen Bundes den Landesherren gewechselt hatten und die Beamtenherrschaft den weiteren Fortschritt verhinderte, wie beispielsweise in der bayrischen Pfalz.[13] Selbiges, so Abdelmajid Guelmami, lässt sich für Tunesien oder Algerien (2019) festhalten, wo sich vom Süden die Volksaufstände ab 2008 und letztlich 2010/11 sowie 2019 nach Norden bewegten. Gerade Landwirte waren es 1848, welche liberale Grundrechte einforderten, so beispielsweise die Aufhebung der Bindung an den Grundherrn, was zugleich eine Verbindung zu Begriffen wie Freiheit, Menschenwürde, Unabhängigkeit der Gerichte mit implizierte.[14]

Auch wenn die Nahrungsmittelkrise der Jahre 1845/46 bereits im Frühjahr 1848 überwunden zu sein schien, so war es doch die allgemeine Wirtschaftskrise, die zu einer politischen Revolution 1848/49 führte.

Gerade im Gewerbe zeigte sich zudem, dass dort, wo eine höhere Bildung und technische Fertigkeit vorhanden war, es auch weniger zu Gewaltaktionen kam. Dort jedoch, wo die Beschäftigungslage prekär war, akkumulierte sich nicht nur die Unzufriedenheit, sondern auch gewalttätige Aktionen. Dies gilt im selben Modus für die Aufstände bis zum heutigen Tage in der arabischen Welt. Der Versuch, zunächst durch Petitionen Veränderungen herbeizuführen, war vor allem in Ägypten 2011 sichtbar.[15]

Es waren gerade die Eisenbahnbauarbeiter, die aufgrund der Teuerungskrise der Jahre 1847/48 im Deutschen Bund die revolutionären Ereignisse permanent vorantrieben.[16] Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu den revolutionären Ereignissen in der arabischen Welt 2008 bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt, weil es in der islamischen Region im Nahen Osten so gut wie keine Schwerindustrie gibt. Das Kleingewerbe, insbesondere der Tourismussektor und die Textilindustrie, waren auch die treibenden Kräfte der Unruhen bis zum heutigen Tage im Maghreb und im Nahen Osten.[17]

Es waren im 19. Jahrhundert in Deutschland gerade die Handwerker, die sich politisch organisierten, und welche eben auch in der Frankfurter Paulskirche für die Gewerbefreiheit und den Freihandel immer wieder Position ergriffen.[18] Somit war die deutsche wie teilweise die europäische 1848er Revolution zunächst eine soziale Bewegung, die sich gegen das Metternich-System positionierte, das sich als unfähig erwiesen hatte, die ökonomischen Probleme zu lösen. Inwieweit die Bevölkerung des Deutschen Bundes 1848 reaktionär, reformistisch oder revolutionär eingestellt war, ist insofern von geringer Bedeutung, weil sich die große Mehrheit für eine Transformation der Gesellschaftsordnung einsetzte.[19] Es war das Fehlen eines sozioökonomischen Programmes, was auch das Scheitern der 1848er Revolution mit bedingte. Genauso fehlte es der arabischen Mittelschicht seit 2008 an einer Einheit, was die alten Machteliten bis heute auszunutzen wissen.

Staatliche Ordnungsdeterminanten als Teil evolutionärer Probleme bei Revolutionen

Es ist auch der verfassungsgebende Akt an sich, der eigentlich das Ende einer Revolution einleitet, weil er durch die Orientierung an einer neuen Ordnung ein neues stabiles System zu zementieren versucht. Es waren vor allem die liberalen Kräfte vor 175 Jahren in Deutschland, welche sehr rasch zu normalen Zuständen zurückkehren wollten. Man versuchte die Konfrontation mit den alten Eliten zu vermeiden und das Grundfundament der Gesellschafts- und Eigentumsordnung größtenteils zu erhalten. Somit waren die liberalen Kräfte der 1848er Bewegung eher antirevolutionär eingestellt. Dies lag auch daran, dass sich das deutsche Bürgertum vor Eruptionen wie in der Französischen Revolution 1789–1795 fürchtete, was zugleich einen wesentlichen Unterschied darstellt, weil man im Deutschen Bund auch keine plebiszitäre Militärdiktatur wie einst unter Napoleon haben wollte. Damit war die Revolution eher von Pessimismus und Defätismus geprägt. Man suchte aus den Erkenntnissen der französischen Schreckensherrschaft heraus nach schnellen Kompromissen. Selbst die linken Kräfte waren sich uneins darüber, inwieweit man Gewalt in der Bewegung einsetzen solle. Es war allein die Hoffnung, dass durch eine Nationalversammlung auch eine Modifizierung der Gesellschaftsordnung möglich wäre.[20]

Man suchte aus den Erkenntnissen der französischen Schreckensherrschaft heraus nach schnellen Kompromissen.

Es war zugleich aber auch die Suche nach einer neuen Determinierung einer nationalstaatlichen Neuorientierung, die sowohl die Habsburgermonarchie wie die preußische Monarchie betraf, weil man das Wiener System von 1815 endgültig ad absurdum führen wollte und somit die „Deutsche Frage“ eine europäische Frage war. Deshalb ist es auch zu einfach gedacht, zu dem historischen Schluss zu kommen, der Nationalisierungsprozess Deutschlands, welchen Bismarck vorangetrieben hätte, sei rein nationaler Natur gewesen. Die Deutsche Frage der 1848er Bewegung war gerade wegen dem Dualismus der beiden mitteleuropäischen Großmächte mehr als nur eine nationale Frage, denn selbst unter den politischen Fraktionen der damaligen Zeit war man sich über den Nationalisierungsprozess des Deutschen Bundes nicht einig. Auch dieser Prozess hin zu einem deutschen Nationalstaat berührte nicht nur die mitteleuropäischen Großmächte, sondern insbesondere die Bestrebungen anderer Nationalitäten, beispielsweise die Ungarn oder die Italiener, welche sich von Österreich loslösen wollten.[21]

Nicht zu vergessen ist die Bewegung sowohl deutscher- wie dänischerseits 1848 um die Schleswig-Frage, die indirekt Russland und Großbritannien betraf. Frankreich hatte ebenfalls Sorge, dass diese revolutionäre Bewegung eine Gefahr für Frankreich sein würde. Es war Heinrich v. Gagern (1799–1880), der versuchte, eine „kleindeutsche Lösung“ mit einem völkerrechtlichen Bündnis zu Habsburg zu debattieren, um auch den Interessen der anderen Nationalitäten gerecht zu werden.[22] Es ging insofern auch um die Konstitutionalisierung von Österreich und Preußen, was natürlich fernab des westeuropäischen Verfassungsverständnisses lag. Dass natürlich dies nicht nur Probleme mit der Nationalitätenfrage in Ost- und Mitteleuropa mit sich brachte, zeigte auch die Intention die Machtfrage zu Lasten Preußens zu beschließen. Die Position Österreich-Ungarns wurde gestärkt. Man musste also schon 1849 von einer gespaltenen Bewegung ausgehen, die zwischen schwarz-weißem und schwarz-rot-goldenem Patriotismus hin- und hergerissen war.

Es ging insofern auch um die Konstitutionalisierung von Österreich und Preußen, was natürlich fernab des westeuropäischen Verfassungsverständnisses lag.

Auch das unterscheidet diese gesellschaftliche Bewegung von der der Französischen Revolution 1789, wo die volonté générale die Antriebskraft der französischen Nationalbewegung gewesen war.[23] Dadurch, dass Preußen jedoch – durch die Bevölkerung angetragen –die Kaiserwürde durch den preußischen König nicht annahm und man sich mit dem Frieden von Malmö verzettelte, war das Reich-Preußen-Problem nicht zu lösen. Man verfolgte eben keinen einheitlichen Nationalstaatsgedanken.

Das Militär in einer Revolution

Es war auch die Forderung der Paulskirchen-Nationalversammlung nach einer deutschen Flotte, die nicht nur den ersten Deutsch-Dänischen Krieg mitbedingte und damit die Deutsche Revolution zu einer europäischen Machtfrage machte. Sie nahm in gewisser Weise den militärischen Nationalisierungsprozess der 1860er und 70er Jahre nicht nur deutscherseits vorweg, sondern bedingte auch den italienischen mit. Die Forderung nach einer Hochseeflotte basierte auf der strategischen Grundlage, dass neben der Kriegsführung gegen Dänemark 1848 ein langfristiges Flottenbauprogramm vorgesehen wurde, welches zum einen zur defensiven Küstenverteidigung und der Verteidigung des Überseehandels, zum anderen zur Implementierung einer globalen Seemacht gedacht war.[24] Es war der Deutsch-Dänische Krieg von 1848, welcher die Revolution – wie einst die Französische Revolution von 1789 – noch mehr politisierte und damit auch die Flottenfrage zur nationalen Frage erhob, lange vor der Tirpitzschen Flottenpolitik zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Der Flottengedanke wurde weniger von Preußen als von Österreich-Ungarn mitgetragen.[25] Es war gerade der liberale Ökonom Friedrich List, der im Sinne der Zollunion des Deutschen Bundes nicht nur im Sinne des Handels für eine Kriegsflotte war, sondern sogar für ein informales Empire, also einen Bund mit Kolonien, um sich die wichtigen Rohstoffe international zu sichern.[26] Der Flottenplan hatte kein klares Rüstungskonzept und die Niederlage gegen Dänemark 1848 war zugleich auch die militärpolitische Gegenrevolution 1849/50, zumal das Flottenrüstungsprogramm im Widerspruch zu den jeweiligen innerdeutschen Heeresplänen stand, insbesondere den Plänen Preußens.

Die panarabische Revolution als Teil militärischer Stärke

Am 29. Oktober 1956 griffen Israel und am 31. Oktober 1956 Frankreich und Großbritannien Ägypten an, damit die britische Kolonialmacht wieder den Suezkanal in Hände bekommen konnte, weshalb auch der operative Schwerpunkt des Angriffs bei Port Said lag.[27] Die Suezkrise war damit nicht nur ein regionaler Konflikt, sie war international geprägt. Die westlichen Kolonialmächte verloren zunehmend ihren Einfluss in den Entwicklungsstaaten, denn sie erreichten weder ihre militärischen noch ihre politisch gesteckten Ziele. Die Freiheitsbewegung, die schon 1952 in Ägypten Fuß gefasst hatte, war nun verbunden mit der panarabischen ثورة (Revolution). Dies war eine differente und doch in vielen Segmenten ähnliche Revolution wie die Revolution von 1789, 1830 und 1848/49. Sie baute nämlich auf einer pan-osmanischen Nationalisierung auf, welche militärisch wie auch laizistisch geprägt war. Es war nicht der ägyptische General Naguib, der 1952 den militärischen Putsch gegen das Ancien Régime in Wirklichkeit führte, sondern Oberstleutnant Nasser,. Deshalb wurde Naguib auch 1954 von Nasser gestürzt. Die الثورة العربية (arabische Revolution) war – wie 1848/49, aber auch 1789 in Europa – eine nationale Erhebung, die allerdings nicht von der volonté générale ausging, sondern von der Armee. Sie war allerdings, wie im deutschen oder italienischen Fall, evolutionärer Natur.[28]

Die Suezkrise war nicht nur ein regionaler Konflikt, sie war international geprägt. Die westlichen Kolonialmächte verloren zunehmend ihren Einfluss in den Entwicklungsstaaten.

Die الثورة العربية (arabische Revolution) war also ein strategisches Konzept der ägyptischen Militärführung. Eines der Ziele war der Aufbau einer starken ägyptischen Heeresmacht.[29] Nasser versuchte gleich nach seiner Machtergreifung eine Einigung mit Großbritannien über den Kanal von Suez zu erreichen, was jedoch von Israel verhindert wurde, indem es das Kriegsschiff „Pat Halim“ zwangsweise durch den Kanal zu manövrieren versuchte. Ägypten regierte mit der Blockade der Durchfahrt des Kriegsschiffes und beschlagnahmte es gar. Es wurde der ägyptischen Militärjunta sehr früh klar, dass der östliche Nachbarstaat versuchte, Ägyptens Beziehungen zu anderen Staaten zu stören. Viel schlimmer war die Tatsache, dass die ägyptische Bevölkerung Zweifel an der Schlagkraft der ägyptischen Streitkräfte bekam – und damit aber auch die المجتمع العربي (arabische Gemeinschaft). Es ging nicht zuletzt auch darum, an Waffen zu kommen. Während Israel hier sehr große Erfolge verzeichnen konnte, versuchte Nasser über die Volksrepublik China durch deren Anerkennung in der Tschechoslowakei an Waffen zu gelangen.[30]

Nasser verkündete 1955 voller Enthusiasmus, dass er nun auch seine Streitkräfte mit einer Vielzahl von Waffen versorgt hätte. Die USA reagierten ungehalten auf diese Ankäufe, wollten gar ägyptische Küsten blockieren, über Drohungen kamen sie jedoch keinesfalls hinaus. Israel seinerseits intensivierte nun seine Beziehungen zu den Westmächten. Es war das Ziel der nasseristischen الثورةالعربية (arabischen Revolution), dass die Kolonialzeit auch damit beendet sei, dass der Suez-Kanal nicht mehr von britischen Truppen besetzt zu sein habe, da er mit ägyptischen Finanzmitteln erbaut worden war.[31] „القناة لا تنتمي إلى مصر ، مصر تنتمي إلى القناة“ (Nicht der Kanal gehört Ägypten, Ägypten gehört zum Kanal), so Nasser.

Die Revolution bezog sich also insofern nicht nur auf den Abzug der Briten, sondern auf die absolute Souveränität Ägyptens, inklusive des Suezkanals. Auch wenn das Abkommen vom 19.10.1954 nur einen Teilabzug der britischen Kräfte vorsah, so war es doch ein Teilerfolg Nassers, weil er den nationalen Traum Ägyptens vorantrieb. Das Charisma des ägyptischen Offiziers Nasser war mit ein Garant dafür. Der Abzug der britischen Kolonialmacht am 19.06.1956 und die Nationalisierung des Kanals am 26.07.1956 machten nochmals die Absolutheit der nasseristischen الثورة العربية (arabischen Revolution) deutlich.[32] Es war allerdings keine Revolution, die nach Freiheit und Gleichheit oder gar nach Menschenwürde strebte. Die Revolution von 1956 war eine der innerägyptischen, aber auch der arabischen Ungleichheit. In Ägypten und in den Staaten der Arabischen Liga herrschte noch größere Armut als heute. Deshalb war die Führung Ägyptens als Beispiel für die restliche arabische Welt auch dazu verdammt, nationale Erfolge vorzuweisen mit der Untermauerung einer politisch-militärischen Führungspersönlichkeit wie der Nassers. Der Assuan-Staudamm sollte gerade die Militärregierung weiter stützen. Weil die USA sich letztlich bei der Finanzierung des nationalen Bauprojektes dagegenstellten, verstaatlichte Nasser am 26.07.1956 den Suezkanal.[33] Diese Entscheidung Nassers war es, welche auch die الثورةالعربية (arabische Revolution) auslöste. Sie bewegte alle arabisch geprägten Staaten von Mauretanien bis in den Irak und war damit auch Grundlage für den algerischen Befreiungskampf gegen Frankreich. Insofern war die الثورة العربية (arabische Revolution) auch eine Freiheitsbewegung gegen den westlichen Imperialismus.

Die Revolution von 1956 war eine der innerägyptischen, aber auch der arabischen Ungleichheit. In Ägypten und in den Staaten der Arabischen Liga herrschte noch größere Armut als heute.

Die ثورة بوقيبة (bourguibistische Revolution) als Teil der panarabischen Bewegung des zentralistischen Laizismus

Was die Revolutionen Europas zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der Religions- und Konfessionsauffassung mit sich brachten, das brachte auch die tunesisch-bourguibistisch-nationale Revolution in den 50er Jahren. War die الثورة العربية Nassers eher militärisch-nationaler Natur, so war die ثورة بوقيبة (bourguibistische Revolution) laizistisch-zentralistischer Segmentation. Die Basis des Laizismus war das Fundament des tunesischen zentralistischen Nationalismus.[34] Bourguiba verstand es sehr genau, Religion und Staat – wie einst Napoleon Bonaparte oder Robespierre – zu trennen. Dies hatte natürlich nicht nur Modernisierungseffekte, weshalb, schon anders als in der Französischen Revolution, die Revolutionäre der 48er Bewegung des 19. Jahrhunderts keinesfalls so radikal waren wie ihre Vorgänger 1799. Es war ihnen sehr wohl bewusst, dass die religiöse Grundlage des katholisch geprägten Deutschen Bundes nicht einfach aufzulösen war.

Bourguiba verstand es sehr genau, Religion und Staat – wie einst Napoleon Bonaparte oder Robespierre – zu trennen.

Bourguiba agierte aber wie Kemal Atatürk nach dem Untergang des Osmanischen Reiches 1923. Bourguiba unterteilte die Staatsphilosophie, wie Atatürk einst, in drei Teile: zum Ersten in die religiöse Frage, welche eindeutig islamisch für ihn war, zum Zweiten in die kulturell-sprachliche, die keinesfalls französisch, sondern arabisch war und damit ein Bindeglied zur religiös-konfessionellen Diktion darstellte, und zum Dritten der tunesischen Verfassung, die abstrahiert von der Religion, aber nicht von der sprachlich-kulturellen Determination, war.[35]

Diese drei Faktoren waren für Bourguiba der Rahmen des tunesischen Nationalismus in der ثورةبوقيبة (arabischen Revolution) der 50er und 60er Jahre des 20. Jahrhunderts. Das tunesische Regime war von einem modernen Staat überzeugt und führte sogar die Revolution gegen die Kirche in Europa in den vielzähligen Revolutionen an, um zu begründen, weshalb die Unabhängigkeit der Forschung, der Ökonomie und der Politik nur durch ihre Trennung von der Religion möglich ist und nur so ein modernes Staatsgebilde entstehen kann. Es ist nach seiner Auffassung also der rationale Staat, der die Individualität stärkt, um die Fortschrittskräfte zu duplizieren. Die soziale Kategorie ist nach dem ersten tunesischen Präsidenten darin begründet, dass die Liberalität, die er selber allerdings nie politisch forcierte, zum einen die religiöse Legitimität begründet, also quasi die Glaubensfreiheit, und die andere, soziale Komponente nach seiner Darlegung in der Wohlstandsmehrung liege.[36] Diese verantwortungsethische Determination à la Max Weber auf Basis einer protestantisch-ethischen Wirtschaftsführung entzieht der religiösen Institutionalisierung natürlich den Boden der Hegemonialmacht. Nicht die Moscheen oder Kirchen sollen den theologischen Takt vorgeben, sondern die religiöse Eigenverantwortung im Sinne des Staatswohls.

Die ثورةبوقيبة (bourguibistische Revolution) baute auf die Identität der Gesellschaft auf, die Tunesier auf das eine Tunesien einzustimmen. Das unterschied sich insofern von der nasseristischen Ideologie, weil sie die Politik exkludierte. Nicht die Politik als Katalysator zur Religion oder Konfession bestimmte den tunesischen Nationalisierungs- und Entkolonialisierungsprozess, sondern die gesellschaftliche Kohäsion in einer nationalen sprachlich-kulturell vereinigten Zweckgemeinschaft.[37] Dieses System zog sich von Bourguiba über General Zine el Abidine Ben Ali bis zum jetzigen Präsidenten Prof. Kais Said. War Nasser darauf bedacht, zusammen mit Syrien und Jordanien sowie teilweise Libyen die panarabische Einheit durch militärische Stärke zu definieren, so war Bourguiba der Meinung, man müsse erst einmal seine individuelle kulturelle Identität klar zum Ausdruck bringen, um sich von der kolonialen Vergangenheit befreien zu können.[38] Die Nation musste daher auch zentral gesteuert und gedacht werden; föderale Staatsstrukturen, wie die der Bundesrepublik oder gar des ehemaligen Deutschen Bundes, waren für die bourguibistische Ideologie weder zweckmäßig noch programmatisch genug. Die Nation war Teil der Gesellschaft, wie die Gesellschaft Teil der Nation zu sein hatte.

Die Nation musste daher auch zentral gesteuert und gedacht werden; föderale Staatsstrukturen waren für die bourguibistische Ideologie weder zweckmäßig noch programmatisch genug.

Somit ist die ثورةبوقيبة (bourguibistische Revolution) als Teil der الحركة القومية العربية (panarabischen Bewegung) zu Mitte des 20. Jahrhunderts sehr wohl auch größtenteils identisch mit den Volksbewegungen des 19. Jahrhunderts, weil diese nach dem natürlichen Recht des Einzelnen gegenüber der Kollektivität der Institutionalisierung der Religionen strebte und sie darin auch den wesentlichen sozialen wie politischen Anker zur Einigung der Nation verstand.

Konstitutionalismus als Grundproblem von Revolutionen

War die الحركة القومية العربية (panarabische Bewegung) weniger eine demokratieorientierte Revolution nach innen, die den Menschen die Beteiligung am politischen wie sozioökonomischen Geschehen ermöglichte, sondern sie eher unterdrückte, so war die Revolution der 1848er/49er Bewegung in Deutschland nicht nur eine Nationalisierungsbewegung, sondern gerade wegen der sozioökonomischen Missstände eine Demokratiebewegung, welche danach strebte, die landesständischen Verfassungen aufzulösen und nach einem System der Gewaltenteilung zu streben, um die Freiheitsrechte abzusichern. Eine Idee des zentralen laizistischen Staatsdogmas war den revolutionären Kräften vor 175 Jahren eher fremd, wenn sie auch die Macht der Religionsinstitutionen begrenzen wollten. Das Problem bestand jedoch darin, dass gerade Deutschland und der Deutsche Bund föderal in 36 Bundesstaaten gegliedert waren und jeder Staat eine andere Auffassung über die Ausgestaltung der Gewaltenteilung hatte. Die Demokratiefrage war aber auch eine Frage der sozialen Einheit. Aus Sicht des Paulskirchen-Parlamentes musste die Verfassung Freiheit und Wohlstand zusammenbringen, um die Klassengegensätze auflösen und damit auch den Nationalisierungsprozess vorantreiben zu können. Gerade deshalb war beispielsweise die Forderung nach einem allgemeingültigen Recht auf Arbeit, um die allgemeine Pauperisierung breiter Gesellschaftsschichten zu beenden, nicht nur ein sozioökonomisches Faktum, sondern vielmehr ein demokratieorientiertes, weil es die Fürsorgepflicht gegenüber dem Einzelnen postulierte.[39]

Essentiell war genauso die Determination des Rechts auf Eigentum, das gerade bei den Liberalen als Grundlage der Freiheitsrechte angesehen wurde.[40] Dies war nicht nur auf das individuelle Freiheitsrecht fokussiert. Was die Ordnungsfrage des Staates an sich anbelangte, so klang bereits schon an, dass man keinen abrupten Bruch mit der alten Elite wollte. Man suchte, so Heinrich v. Gagern, den Einfluss des Staates zu sichern, um die Freiheit der „mittleren Klassen“, also der Bourgeoisie, zu erhalten. Dies war im Grunde genommen der Übergang von der Revolution zur Evolution und somit auch ein wesentlicher Unterschied zur Revolution in Frankreich von 1789. Es waren also alle liberalen Kräfte, die eine Ordnung des evolutionären Übergangs vom Deutschen Bund zum Deutschen Reich haben wollten, und dass an der Spitze dieser neuen Staatsstruktur eben kein Präsident wie beispielsweise in den USA stehen sollte, sondern ein Monarch.[41] Die erbkaiserliche Koalition der Jahre 1848/49 nahm also die späteren Ereignisse der 60er und 70er ideell vorweg, welche dann von Otto von Bismarck in die Tat umgesetzt wurden, teilweise sogar gegen den Willen Wilhelms I.: die Nationalstaatsfrage, die soziale Frage, welche durch die Sozialversicherungsgesetzgebung beantwortet wurde, oder die kulturell-religiöse Frage – all das wurde durch die Bismarcksche Politik gelöst. Bismarck war im Grunde genommen nur ein williger Vollstrecker der 48er Bewegung, wenn er auch häufig sehr fragwürdige politische Mittel zur Umsetzung der Revolutionsforderungen der Jahre 1848/49 einsetzte.

Die erbkaiserliche Koalition der Jahre 1848/49 nahm die späteren Ereignisse der 60er und 70er ideell vorweg, welche dann von Otto von Bismarck in die Tat umgesetzt wurden, teilweise sogar gegen den Willen Wilhelms I.

Der Reichsverfassungsentwurf von 1848/49 war nichts anderes als der Kompromiss zwischen Liberalismus und Demokratie, um die politischen Ideale der Revolution mit denen der alten Mächte Habsburgs und Preußens verbinden zu können. Darin lag die Chance, einen freiheitlichen deutschen Nationalstaat in Zeiten der Industriellen Revolution zu begründen und damit auch das Fundament für eine Massendemokratie zu schaffen.[42] Die Ablehnung der Kaiserwürde durch Wilhelm IV. setzte der evolutionären Ordnungsfrage ein Ende. Was jedoch blieb, war die Subsumierung liberaler und demokratischer Verfassungsgedanken, die größtenteils in den deutschen Staaten Bestand behielten.

Fazit

Theodor Fontane schreibt in einem seiner Gedichte: „Nur in Freiheit wird man frei.“ Diese wesentliche Erkenntnis traf nur zum Teil für die Ergebnisse der französischen Revolutionen 1789 wie 1830 als auch für die Deutsche Revolution 1848/49 und insbesondere für die الثورة العربية (arabische Revolution) der 50er und 60er Jahre des 20. Jahrhunderts – jedoch schon gar nicht für die revolutionären Ereignisse der Jahre ab 2008 in der arabischen Region – zu. Die Französische Revolution 1789 begründete zwar eine Grundrechtecharta, die dann im Code Napoléon aufging. Die Schreckensherrschaft und der napoleonische Imperialismus vertieften aber nicht nur die politischen und militärischen Unsicherheiten, sondern im gesamten Europa auch die sozioökonomischen Verwerfungen, die dann ihren Ausfluss in der Julirevolution von 1830 und der Deutschen und europäischen Revolution von 1848/49 fanden. Aber auch hier ging man keinen transformativen, radikalen Schritt, sondern verblieb auf dem evolutionären Pfad, weil man sich auch vor einer ähnlichen Schreckensherrschaft fürchtete.

Die nationalen, sozialen und demokratischen Fragen und deren Lösungen in der Deutschen Frage, die zugleich eine europäische war, wurden einfach um etwa zwanzig Jahre verschoben und bis Ende des 20. Jahrhunderts quasi politisch wie militärisch gelöst. Insofern ähnelte die Deutsche Revolution der Französischen, da mit Napoleon die Schreckensherrschaft bei Beibehaltung der Grundrechte beendet wurde und mit Bismarck die Deutsche Frage sowohl politisch wie auch sozioökonomisch und kulturell-religiös teilweise ihr Ende fand.

Die nationalen, sozialen und demokratischen Fragen und deren Lösungen in der Deutschen Frage, die zugleich eine europäische war, wurden einfach um etwa zwanzig Jahre verschoben.

Die الثورة العربية (arabische Revolution) hat ebenfalls Ähnlichkeiten zu den Revolutionen im Europa des 19. Jahrhunderts, weil diese gegen die Fremdherrschaft Großbritanniens und Frankreichs gerichtet war. Der Ruf nach Freiheit war allerdings differenter; er richtete sich in erster Linie gegen die Westmächte, weniger bis gar nicht in Richtung demokratischer Grundprinzipien. In allen Staaten der Arabischen Liga wurden bis heute korrupte Despotien errichtet, die die Misswirtschaft seit der Entkolonialisierung verwalten und keine industriellen Entwicklungspotenziale vorweisen, was im Falle der europäischen Revolutionen eine Grundbedingung, hervorgerufen durch die industrielle Revolution, war.

Die Revolutionen in verschiedenen Staaten der Arabischen Liga ab 2008 sind das Ergebnis sozioökonomischer Stagnation, so wie es einst 1845–1848 in Deutschland die ökonomischen Verwerfungen waren, wie auch 1788/89 in Frankreich die Misswirtschaft der Monarchie, die zu Volksunruhen führten. Der wesentliche Unterschied jedoch besteht darin, dass die Herrscher der arabischen Welt nicht durch das Volk abgesetzt wurden, sondern durch die Sicherheitsapparate. Deshalb war die Reaktion von vornherein schon mit impliziert. Dies ist der Grund, weshalb es in dieser Region auch zu keinem politischen oder sozioökonomischen Wandel kommen kann.

 

 


Ilya Zarrouk, Jahrgang 1981, studierte Neuere Geschichte, Wirtschafts- und Sozialgeschichte und Politikwissenschaft in Mannheim, Heidelberg und Tunis. Zarrouk ist seit 2013 Dozent an verschiedenen Abendakademien im Rhein-Neckar-Raum, wo er zu sicherheitspolitischen und militärpolitischen Fragen referiert. Bei den in diesem Artikel vertretenen Ansichten handelt es sich um die des Autors.


[1] Hermann-J. Rupieper, Probleme der Sozialgeschichte der Revolution 1848/49 in Deutschland, in: “Die Deutschen und die Revolution“, Hrsg. v. Michael Salewski, (Göttingen, 1984), 157.

[2] Ernst Schulin, Die Französische Revolution, (München, 2004), 4. Auflg., 59-64.

[3] Idem., 64.

[4] Michael Stürmer, Die Reichgründung. Deutscher Nationalstaat und europäisches Gleichgewicht im Zeitalter Bismarcks, (München, 1984), 32-40.

[5] Klaus Schönhoven, Solidarität und Menschenwürde. Etappen der deutschen Gewerkschaftsgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart, (Göttingen, 1984), 10.

[6] Lotfi Hajji, Bourguiba et l‘islam. Le politique et le religieux, (Tunis, 2011) 7-9; Yagil Henkin, The 1956 Suez War and the New World Order in the Middle East, (London), 29-33.

[7] Hermann-J. Rupieper, Probleme der Sozialgeschichte der Revolution 1848/49 in Deutschland, in: Die Deutschen und die Revolution, hrsg. v. Michael Salewski, (Göttingen, 1984), 165.

[8] Andreas Etges, Von der „vorgestellten“ zur „realen“ Gefühls- und Interessensgemeinschaft? Nation und Nationalismus in Deutschland von 1830 bis 1848, in: Die Politik der Nation. Deutscher Nationalismus in Krieg und Krisen 1760-1960, hrsg. v. Jörg Echternkamp, (München, 2002), 61-72.

[9] Hermann-J. Rupieper, Probleme der Sozialgeschichte der Revolution 1848/49 in Deutschland, in: Die Deutschen und die Revolution, hrsg. v. Michael Salewski, (Göttingen, 1984), 159.

[10] Christoph Buchheim, Industrielle Revolutionen, (München, 1994); Abdelmajid Guelmami, La politique sociale en Tunisie de 1881 à nos jours, (Paris, 1996), 233-244.

[11] Hermann-J. Rupieper, Idem., 162-163.

[12] Thomas Richter, Autoritäre Herrschaft, materielle Ressourcen und Außenwirtschaftsreformen. Marokko, Tunesien, Ägypten und Jordanien im Vergleich, (Wiesbaden, 2011), 27-33.

[13] Hermann-J. Rupieper, Probleme der Sozialgeschichte der Revolution 1848/49 in Deutschland, in: Die Deutschen und die Revolution, hrsg. v. Michael Salewski, (Göttingen, 1984), 162-163; Klaus Schönhoven, Solidarität und Menschenwürde. Etappen der deutschen Gewerkschaftsgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart, (Göttingen, 1984), 13-22.

[14] Idem.

[15] “Welt-Almanach & Atlas 2023,“ (Stuttgart, 2023), 20-21.

[16] Klaus Schönhoven, Solidarität und Menschenwürde. Etappen der deutschen Gewerkschaftsgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart, (Göttingen, 1984), 12-13; Christoph Buchheim, Industrielle Revolutionen, (München, 1994), 49.

[17] Yagil Henkin, The 1956 Suez War and the New World Order in the Middle East, (London), 34-47.

[18] Klaus Schönhoven, Solidarität und Menschenwürde. Etappen der deutschen Gewerkschaftsgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart, (Göttingen, 1984), 21-22.

[19] Hermann-J. Rupieper, Probleme der Sozialgeschichte der Revolution 1848/49 in Deutschland, in: Die Deutschen und die Revolution, hrsg. v. Michael Salewski, (Göttingen, 1984), 171-179.

[20] Manfred Botzenhart, Die Verfassungsfrage in der Revolution von 1848/49, in: Die Deutschen und die Revolution, hrsg. v. Michael Salewski, (Göttingen, 1984), 206-215.

[21] Jürgen Angelow, Von Wien nach Königgrätz, (München, 1996).

[22] Manfred Botzenhart, Die Verfassungsfrage in der Revolution von 1848/49, in: Die Deutschen und die Revolution, hrsg. v. Michael Salewski, (Göttingen, 1984), 209-216.

[23] Manfred Botzenhart, Die Verfassungsfrage in der Revolution von 1848/49, in: Die Deutschen und die Revolution, hrsg. v. Michael Salewski, (Göttingen, 1984), 209-221; Andreas Etges, Von der „vorgestellten“ zur „realen“ Gefühls- und Intressensgemeinschaft? Nation und Nationalismus in Deutschland von 1830 bis 1848, in: Die Politik der Nation. Deutscher Nationalismus in Krieg und Krisen 1760-1960, hrsg. v. Jörg Echternkamp, (München, 2002), 61-73.

[24] Wolfgang Petter, Programmierter Untergang. Die Fehlrüstung der deutschen Flotte von 1848, in: Die Deutschen und die Revolution, hrsg. v. Michael Salewski, (Göttingen, 1984), 228-237; Jürgen Angelow, Von Wien nach Königgrätz, (München. 1996), 35-40.

[25] Idem.

[26] Hans-Werner Hahn, Geschichte des Deutschen Zollvereins, (Göttingen, 1984), 16-17.

[27] Mohammed Reda Moharram, Die Suezkrise 1956. Gründe – Ereignisse – Konsequenzen, in: Das internationale Krisenjahr 1956, hrsg. v. Winfried Heinemann, (München, 1999), 197-202; Yagil Henkin, The 1956 Suez War and the New World Order in the Middle East, (London), 34-45.

[28] Idem.

[29] John Waterbury, The Egypt of Nasser and Saddat, (New Jersey, 1983), 12-25.

[30] Mohammed Reda Moharram, Die Suezkrise 1956. Gründe – Ereignisse – Konsequenzen, in: Das internationale Krisenjahr 1956, hrsg. v. Winfried Heinemann, (München, 1999), 197-208.

[31] Idem.

[32] John Waterbury, The Egypt of Nasser and Saddat, (New Jersey, 1983), 14-27.

[33] Idem.

[34] Lotfi Hajji, Bourguiba et l‘islam. Le politique et le religieux, (Tunis, 2011), 15-17.

[35] Idem.

[36] Idem.

[37] Idem.

[38] Rede im Stade de Tunis, 1957, vor der afrikanischen Jugend.

[39] Manfred Botzenhart, Die Verfassungsfrage in der Revolution von 1848/49, in: Die Deutschen und die Revolution, hrsg. v. Michael Salewski, (Göttingen, 1984), 210-231.

[40] Christoph Buchheim, Industrielle Revolutionen, (München, 1994), 16-17.

[41] Manfred Botzenhart, Die Verfassungsfrage in der Revolution von 1848/49, in: Die Deutschen und die Revolution, hrsg. v. Michael Salewski, (Göttingen, 1984), 214-223.

[42] Ibid., 226-239.

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