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Military Assistance – Humans are more important than hardware!

Abstract: Irak und Afghanistan, jene beiden Einsatzräume, die seit beinahe zwanzig Jahren die globale Aufmerksamkeit auf sich ziehen, sind eindrucksvolle Beispiele der vorherrschenden Paradoxie – rascher, entscheidender militärischer Erfolg auf dem Gefechtsfeld versus nachhaltige Instabilität in der jeweiligen Region. Da ein breitgefächertes militärisches Maßnahmenpaket Military Assistance charakterisiert, ergibt sich die einmalige Möglichkeit, langfristig stabilisierend in Krisenregionen wirksam zu werden.

Bottom-line-up-front: Für einen erfolgreichen Military Assistance Einsatz, ist nachstehende Effizienzformel zu berücksichtigen: Effizienz = Qualität x Akzeptanz zum Quadrat.

Problemdarstellung: Bevor man sich der Frage nach der konkreten Auftragsdurchführung stellt – more training, more equipment, more money, more quickly – ist ein tiefgreifendes Verständnis der zugrunde liegenden Konfliktursachen und der normativ relevanten Lebenswelt(en) der zu unterstützenden Soldaten zu generieren, um die „richtigen Dinge“ tun zu können.

Was ist zu tun: Interkulturelle Kompetenz der in Military Assistance befindlichen Soldaten muss identitätsstiftende Werte einer Gesellschaft in den Vordergrund rücken. Weiters ist die Implementierung eines „Sicherheitspolitischen Expertenrates“ als politisches Beratungsgremium sowie eine „Comprehensive Planning Group“ zur konkreten Ausplanung notwendig, um sowohl die politischen Entscheidungen zu beschleunigen, als auch kulturraumspezifische Aspekte mit zu beurteilen. Zu guter Letzt stellt das tägliche Bewusstmachen von Eigenverantwortung die höchste Prämisse einer vernünftigen Ausbildungsambition an die anvertrauten Soldaten dar.

Military Assistance Book Cover

Source: Helmut Fiedler

Sicherheitspolitischer Nutzen durch Military Assistance

Die Frage nach dem politischen Nutzen stellt das zentrale Element innerhalb der sicherheitspolitischen Diskussion dar, um im Sinne einer vorwärtsgerichteten Resilienzstrategie wirksam zu werden. Normativ ergibt sich die politische Dimension bereits dadurch, dass Spezialeinsatzkräfte ein Wirkmittel neben Militärdiplomatie, Informationsoperationen und Luftstreitkräften innerhalb des Resilienzschildes darstellen. Um jedoch den sicherheitspolitischen Mehrwert von Military Assistance Einsätzen beurteilen zu können, erscheint es sinnvoll, die militärstrategische Zielsetzung derartiger Operationen mit der Realitätswelt bewaffneter Konflikte zu spiegeln:

Gerade das 20. Jahrhundert ist Ausdruck der charakteristischen Veränderung von bewaffneten Konflikten.

Durchaus widersprüchliche Zitate drücken diese rapide Änderung des Konflikt- und Kriegsgeschehens aus: Bezeichnungen wie „Jahrhundert der Massaker und Kriege“ (Renè Dumont) beziehungsweise „das gewalttätigste Jahrhundert der Menschheitsgeschichte“ (William Golding) stehen Ausdrücke wie „Jahrhundert des wissenschaftlichen Fortschritts“ (Severo Ochoa) und „Sieg der Ideale von Gerechtigkeit und Gleichheit“ (Leo Valiani) gegenüber. Eine differenzierte Betrachtung der kriegerischen Auseinandersetzungen des 20. Jahrhunderts zeigt, dass bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges „Krieg“ ein zulässiges Mittel der internationalen Sicherheitspolitik darstellte. Mit der Gründung der Vereinten Nationen und damit einhergehend der Verfestigung des Gedankens der „Erhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“ kam es zu einer zunehmenden Verrechtlichung bewaffneter Konflikte. Dadurch wurde der Übergang vor allem in westlichen Demokratien von der traditionellen nationalstaatlichen Machtpolitik hin zur kooperativen Verhandlungspolitik möglich. Der Kosovo-Krieg 1998/19991[1], die Ukraine-Krise und zahlreiche Terroranschläge seit dem Jahr 2015 sind neuartige Erscheinungsformen kriegerischer Auseinandersetzungen im Herzen Europas. Sie führen vor Augen, dass sich vorherrschende Machtverhältnisse und damit die internationale Sicherheitspolitik wandeln. Der politische Wille zum frühzeitigen Einsatz von Spezialeinsatzkräften stellt aus mehreren Gründen die Kernforderung eines erfolgversprechenden Military Assistance Einsatzes dar:

Das Operieren in einem mehr oder weniger funktionierenden Staat ermöglicht die gesamte Bandbreite der Ausbildungsunterstützung einer fremden Streitkraft ohne Feindeinwirkung. Darüber hinaus kann gewährleistet werden, dass im Sinne des „comprehensive approach“ auch andere Akteure des staatlichen, wirtschaftlichen und zivilen Lebens ihren Beitrag zu einer Zivilisierung des Zusammenlebens der zu unterstützenden Gesellschaft beitragen. Gerade in einer Zeit der unsicheren geopolitischen Lage beziehungsweise des transnationalen Terrorismus muss aus europäischer Sicht die Frage „Sicherheitswille“ versus „Sicherheitswunsch“ beantwortet werden. In Anlehnung an Kants Kriterium moralischen Handelns, „dem guten Willen“, sollte verantwortungsvolle und weitsichtige Sicherheitspolitik im „Sicherheitswillen“ gipfeln. Daraus ergibt sich bereits der fundamentale Unterschied zum reinen Wunschgedanken, der sich als blass, phantasielos und passiv darstellen lässt. Beim Übereinanderlegen beider Begrifflichkeiten ensteht nachstehendes Bild: Der Sicherheitswille ist dann gut, wenn der Wunsch mit aller Kraft verfolgt wird. Bleibt nur mehr eine Frage offen – reicht wirklich der Einsatz aller verfügbaren Kräfte, auch wenn mit diesen im Vorfeld verantwortungslos umgegangen wurde? Die Antwort auf diese Frage kann nur mit „nein“ beantwortet werden, da vernunftbasiertes Handeln den verantwortungsvollen Umgang mit Kräften der unmittelbaren staatlichen Sicherheitsvorsorge beinhaltet.

Die Einsatzart Military Assistance

Auf der Suche nach einer kurzen Erklärung der Einsatzart Military Assistance, einer der drei „core tasks“ von Spezialeinsatzkräften, stieß ich auf eine zentrale Leitlinie verschiedener Empowerment-Maßnahmen: Hilfe zur Selbsthilfe. Dies bedeutet, dass sich Military Assistance durch ein breitgefächertes militärisches Maßnahmenpaket auszeichnet: Ausbildungsunterstützung (Training), Beratungsfunktion (Advising) und/oder gemeinsam geführte Operationen (Mentoring/Partnering). Der dahinter liegende Zweck von Military Assistance liegt in der nachhaltigen strukturellen Verbesserung der befreundeten Streitkräfte als militärische Beitragsleistung zur regionalen Stabilität. Zahlreiche Military Assistance Einsätze seit Ende des Zweiten Weltkrieges (Vietnam, El Salvador, Jemen, Libanon, Irak und Afghanistan) zeigen, dass die herkömmliche militärische Logik, die hinter diesem Konzept steht, bei weitem nicht ausreicht, um komplexe Szenarien langfristig zu lösen. Der kleinste gemeinsame Nenner sämtlicher Aufgabenstellungen im Rahmen von Military Assistance ist stets die Unterstützung von Menschen. Viel zu oft wird dieser elementare Grundsatz missachtet. In den meisten Einsatzräumen läuft der so wichtige und entscheidende Faktor „Mensch“ Gefahr, ins Abseits gedrängt zu werden.

Oftmals verwendete, viel zu kurz gefasste Darstellungen von Military Assistance – training and equipping foreign militaries – stehen sinnbildlich für die Herangehensweise an derartige militärische Einsätze.

Ein großer und wichtiger Anteil des Erfolges in der Einsatzart Military Assistance beruht auf dem Grundsatz „man muss die Leute kennen, um mit ihnen zu können“. Daraus ergibt sich der notwendige Eintritt in einen anderen Wertehorizont. Vorgefundene Situationen in möglichen Einsatzräumen müssen stets im Lichte von Existenz- und Exzellenzwerten beurteilt werden, um nicht in jene schwerwiegende Falle zu tappen, eigene kulturelle, gesellschaftliche und staatliche Vorstellungen unreflektiert exportieren zu wollen. Auf der anderen Seite stellt eine mögliche Missachtung eigener Existenzwerte (Freiheit, Achtung der Menschenwürde, Menschenrechte, Gleichheit) durch die auszubildenden Soldaten beziehungsweise staatlichen Organe eine identifizierte Grenze der Ausbildungsverantwortung dar.

Realitätscheck vor Ort

Military Assistance-geprägte Operationen, bei denen der direkte zwischenmenschliche Zugang täglich aufs Neue die Herausforderung darstellt, erfordern daher ein umfassendes Verständnis der vor Ort vorgefundenen Lebenswelt. Bevor man sich der Frage nach der konkreten Auftragsdurchführung stellt – more training, more equipment, more money, more quickly – sollte ein tiefgreifendes Verständnis der zugrunde liegenden Konfliktursachen und der normativ relevanten Lebenswelt(en) der zu unterstützenden Soldaten generiert werden, um die „richtigen Dinge“ anpacken zu können. Das ehrliche Akzeptieren und Annehmen des fremden Wertehorizontes und dadurch auch der fremden Rechtskultur ermöglicht das Vordringen der vor Ort eingesetzten Soldaten in das „Herz der jeweiligen Kultur“. Durch die Verbindung von Herz, Vernunft und eines zutiefst subjektiven Etablierungsvorganges stellen Werte die notwendige Brücke zwischen der einheimischen Sicherheitskräfte und den vor Ort operierenden Spezialeinsatzkräften dar. Davon abgeleitet lässt sich nachstehende Effizienzformel eines erfolgreichen Military Assistance Einsatzes aufstellen:

Effizienz = Qualität x Akzeptanz zum Quadrat

Eine Studie der kanadischen Spezialeinsatzkräfte unter dem Titel „Solving the people puzzle – cultural intelligence and SOF“ aus dem Jahr 2010 zielt ebenfalls darauf ab, ethische Fragen und hier vor allem Herausforderungen aus dem Bereich Kulturverständnis, aufzuarbeiten:

„In the end, to be successful in the contemporary operating environment means more than just equipping and training soldiers to fight with the most advanced technology and weapons systems available […] But equally, if not more importantly, it demands military professionals who are culturally astute, who can see reality through the eyes of others and utilize that knowledge to influence others to achieve their aims. Only by fully understanding others it is possible to win their trust and confidence and influence them in a substantive lasting way.“[2]

Die resultierende strategische Perspektive steht im Zusammenhang mit dem frühzeitigen militärischen Agieren innerhalb des sicherheitspolitischen Aktionsfensters. Stabilität und Sicherheit an den Peripherien haben direkten positiven Einfluss auf die Sicherheitslage in Europa. Military Assistance ermöglicht es, als ein probates, vorausschauendes und langfristig abzielendes militärisches Mittel wahrgenommen zu werden, um im Sinne einer umfassenden Resilienzvorsorge aufkommenden Krisen zu begegnen.

Helmut Fiedler dient als Generalstabsoffizier im Österreichischen Bundesheer. Er vertritt in seinem Buch, „Military Assistance – eine moderne Einsatzart zwischen Anspruch und Wirklichkeit“, den Standpunkt, dass die oft vernachlässigte Berücksichtigung der kulturellen Perspektive im Rahmen einer hermeneutischen Kulturraumanalyse die conditio sine qua non für das Gelingen von Military Assistance Einsätzen darstellt. Bei den in diesem Artikel vertretenen Ansichten handelt es sich um die des Autors/der Autorin. Diese müssen nicht mit jenen des Österreichischen Bundesheeres übereinstimmen.

[1] Der Kosovo-Krieg stellt dahingehend eine Zäsur dar, da er ohne UN-Mandat geführt wurde, hingegen oftmals seine moralische Qualität herausgestrichen und betont wird. Vor allem Jürgen Habermas argumentierte in Richtung einer moralischen Legitimität der Intervention der NATO, die aus seiner Sicht in letzter Konsequenz zu einer völkerrechtlichen Legitimität führte. Darüber hinaus charakterisierte Habermas den Kosovo-Krieg als „Sprung auf dem Wege des klassischen Völkerrechts der Staaten zum kosmopolitischen Recht einer Weltbürgergesellschaft“ (Jürgen Habermas, „Bestialität und Humanität,“ Die Zeit (29.04.1999)). [2] Emily Spencer, Solving the people puzzle, Cultural Intelligence and Special Operations Forces (Toronto: Dundrun Press, 2010), 27.

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