Vom neuen Theresianischen Führungsmodell
Abstract: Erfolgreiche Führung basiert auf verschiedenen miteinander verbundenen Ebenen. Zunächst ist eine Definition von Führung notwendig. Diese Definition wird anhand einer einfachen Darstellung geleistet. Das Problem, welches Führung auslöst liefert weitere Anhaltspunkte auf dem Weg zu erfolgreicher Führung. Schließlich geht es um den Entscheidungsprozess, welcher erfolgreiche Führung ermöglicht. Das Theresianische Führungsmodell vereint diese drei Ebenen miteinander. Dabei wird herausgearbeitet wie Kunst und Wissenschaft einander ergänzen und erfolgreiche Führung fördern können.
Problemdarstellung: Welche Rolle spielen Kunst, in Form einer gestaltenden Kreativität, und Wissenschaft, als evidenzbasierte Herangehensweise, zur Problemlösung in Fragen der Führung?
Bottom-line-up-front: Führung ist kein konstanter Zustand, sondern ein Prozess, der ständig neu zu beurteilen und stets neu anzupassen ist. Auf der Suche nach der Kunst des Führens wird man bei verschiedenen großen Denkern fündig. Aus den Schriften von Clausewitz und Machiavelli geht zum Beispiel hervor, dass sie Führung in seiner höchsten Ausprägung über den Bereich der Wissenschaft hinaus in den Bereich der Kunst einordnen. Im Militär ist daher die Frage von großem Interesse, wie die Kompetenzentwicklung von Führungskräften in den Bereichen Wissenschaft und Kunst diskutiert werden und inwiefern sich eine Balance zwischen diesen beiden Sphären auf ergänzende Überlegungen auswirkt.
Was nun?: Führungsmodelle bilden in der Ausbildung von Führungskräften das Fundament, durch welches potenzielle Führungskräfte erfolgreiche Führung erlernen. Dabei dienen diese Modelle der Orientierung und vermitteln eine Denkschule, durch die Lösungen von Problemen strukturiert und nachvollziehbar erarbeitet werden können. Es stehen nicht nur die potentiellen Führungskräfte im Fokus, sondern alle, die während ihrer beruflichen Tätigkeit Entscheidungen zu treffen haben. An der Theresianischen Militärakademie werden die zukünftigen militärischen Führungskräfte nach dieser Denkschule ausgebildet.

Vom Wesen einer erfolgreichen (militärischen) Führungskraft
Führung ist, dialektisch betrachtet, die Synthese aus Wissenschaft einerseits und Kunst andererseits. Beides wirkt ineinander und wird in diesem Zusammenwirken im Folgenden näher untersucht. Ziel ist hier nicht eine Lösung zu präsentieren, sondern den Geist zu weiteren Überlegungen anzuregen. Die Förderung der Reflektionsfähigkeit sowie die Argumentationsfähigkeit sollen hier gesteigert werden. Dabei ist eine durchaus kritische Würdigung angestrebt.
Das Theresianische Führungsmodell basiert auf dem Kompetenzmodell nach Pichlkastner.[1] In diesem Modell arbeitete er drei Schlüsselkompetenzen heraus. Diese sind: physische Leistungsfähigkeit, mentale Stärke sowie interkulturelle Kompetenz. Das Handeln militärischer Führungskräfte basiert grundsätzlich auf diesen Kompetenzen. Aufbauend auf dem Kompetenzmodell nach Pichlkastner wurde ein Führungsmodell entwickelt, welches diese Kompetenzen in erfolgreiche Führung transferieren soll. Das Theresianische Führungsmodell stellt dabei den Nukleus von Führung dar und ist damit zum einen universell und zum anderen intersubjektiv nachvollziehbar. Im Fokus dieses Modells steht die Verantwortung der einzelnen Führungskraft.
Das Theresianische Führungsmodell stellt dabei den Nukleus von Führung dar und ist damit zum einen universell und zum anderen intersubjektiv nachvollziehbar.
„Alles Denken ist ja Kunst. Wo der Logiker den Strich zieht, wo die Vordersätze aufhören, die ein Resultat der Erkenntnis sind, wo das Urteil anfängt, da fängt die Kunst an.“[2] Bezogen auf das Theresianische Führungsmodell, sind Verstand und Vernunft der Sphäre der Wissenschaft zuzurechnen. Eine wissenschaftlich akademische Ausbildung/Bildung ist für Führungskräfte somit Vorbedingung für eine Urteilsbildung, für das Treffen einer Entscheidung beziehungsweise eines Entschlusses.[3] Wie die Fakten und deren Bewertung schließlich in einen erfolgversprechenden Entschluss gefasst werden und dieser zur Umsetzung gelangt, ist dann Kunst, die Kunst des Führens.[4]
Die Welt präsentiert sich zunehmend unbeständig, unsicher, komplex und mehrdeutig.[5] Haben diese Faktoren nun eine „neue“ Auswirkung auf Führung oder hat sich nur das bestehende Bezugssystem einer lokalen beziehungsweise regionalen Perspektive durch eine globale Sichtweise erweitert? Letztlich sind Probleme, die ein Führungshandeln auslösen, immer schon durch diese Faktoren gekennzeichnet. Allerdings hat sich der mögliche Konfliktraum zunehmend entgrenzt.[6]
Das Modell, welches hier dargestellt wird, ist genau diese Verbindung von Wissenschaft und Kunst. Eine Visualisierung des Modells ist in einem Gemälde von der Schlacht bei Aspern zu finden. Dieses Bild zeigt die Elemente des Theresianischen Führungsmodells in einer künstlerischen Interpretation in sehr plastischer Form. Dabei wird auch klar, dass das „neue“ Theresianische Führungsmodell nicht so neu ist, wie die Bezeichnung vermuten lässt.
Erzherzog Karl bei Aspern
Das Titelbild zeigt Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern in der Mitte seines Stabes bei der Führungstätigkeit. Erzherzog Karl ist einer der drei großen militärischen Denker im deutschsprachigen Raum am Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert. Neben Clausewitz und Jomini gilt er als der Mitbegründer der Militärwissenschaft in Europa. Die Phrase „Armis et Litteris“, geprägt durch Erzherzog Karl, ist zum Ausdruck der Verbindung von Militär und Wissenschaft beziehungsweise von der Notwendigkeit einer militärischen und akademischen Führungsausbildung geworden.[7] Dieser Spruch ist noch heute über dem Eingang in das Innere der Burg zu Wiener Neustadt – der Theresianischen Militärakademie – zu lesen.
„Armis et Litteris“ ist zum Ausdruck der Verbindung von Militär und Wissenschaft beziehungsweise von der Notwendigkeit einer militärischen und akademischen Führungsausbildung geworden.
Die Führung, in Person des Erzherzogs und seines Stabes, ist trotz der chaotischen Szenerie weiterhin aufrecht und organisiert am Werk. Trotz verwundeter und toter Soldaten führen sie weiter. Das Problemhafte an der Situation bleibt jedoch klar erkennbar, bestimmt durch Kraft, Zeit und Raum. Das Problem ist der Kampf der beiden Streitkräfte an diesem Tag im Mai des Jahres 1809, in der Nähe der Ortschaft Aspern bei Wien, welches Erzherzog Karl mit seinen Offizieren zu lösen versucht.
Führung ist als Ergebnis einer Idee vom Gefecht über die Entwicklung eines Planes bis zur konkreten Umsetzung in der Darstellung fassbar. Diese konkrete Umsetzung der Führung zeigt sich einerseits in der Versorgung der Verwundeten und andererseits auch an dem im Hintergrund weitertobenden Gefecht. Der Prozess, der zur Entscheidung führt, ist zwar bildlich nicht sichtbar, aber aus der Darstellung durchaus ableitbar. Erzherzog Karl erfasst die Situation, bewertet sie und trifft mittels seiner Urteilskraft eine Entscheidung. Diese wird durch seine richtungsweisende Armhaltung an den Stab kommuniziert. Alle Ebenen des Theresianischen Führungsmodells – die Problem-, die Führungs- und die Entscheidungsebene – finden sich in diesem Schlachtengemälde.
Was macht dieses Führungsmodell nun aus? Zum einen werden diese offensichtlichen Elemente eines Führungsmodells erstmals zueinander in Verbindung gesetzt und bildlich dargestellt. Zum anderen wird auf dem Theresianischen Kompetenzmodell nach Pichlkastner aufgesetzt.[8] Dieses beschreibt ein Kompetenz- beziehungsweise Tugendmodell für militärische Führungskräfte. Theresianisch ist das im Gemälde visualisierte Führungsmodell einerseitsdeshalb, weil vermutlich ein Großteil der in der Schlacht bei Aspern tätigen Offiziere an der 1751 gegründeten Theresianischen Militärakademie ausgebildet wurden. Andererseits wird an dieser Einrichtung – der Alma Mater Theresiana – nach diesem noch heute nach diesem Modell ausgebildet.
Ziel der Auseinandersetzung mit erfolgreicher Führung
Erfolgreich zu führen bedeutet Probleme zu lösen und Ziele zu erreichen. Was kennzeichnet allerdings erfolgreiche Führungskräfte und welche Faktoren sind entscheidend, um erfolgreiche Führung überhaupt erst zu ermöglichen? Dieser Frage haben sich in der Vergangenheit verschiedene militärische Denker immer wieder gewidmet. In diesem Zusammenhang ist auch das Verhältnis zwischen erfolgreicher und kunstvoller Führung näher zu betrachten.
Clausewitz spricht in seinem Werk „Vom Kriege“ in erster Linie von der Kriegskunst. „Die Kriegskunst im eigentlichen Sinn wird also die Kunst sein, sich der gegebenen Mittel im Kampf zu bedienen, und wir können sie nicht besser als mit dem Namen Kriegführung bezeichnen.“[9] Abgeleitet aus diesem Zitat ist Krieg die extremste Form einer Problemstellung und da sich Führung mit der Lösung von Problemen auseinandersetzt, ist die Kriegskunst in diesem Zusammenhang die extremste Ausprägung der Kunst des Führens. Die gegebenen Mittel sind jene Ressourcen, die es zur Erreichung des Erfolges braucht, bezogen auf die Führung sind dies der Mensch – als Führungskraft und Geführter – sowie die richtigen Führungswerkzeuge, wie zum Beispiel ein passendes Führungsmodell.
Krieg die extremste Form einer Problemstellung und da sich Führung mit der Lösung von Problemen auseinandersetzt, ist die Kriegskunst in diesem Zusammenhang die extremste Ausprägung der Kunst des Führens.
Von der Rollenvielfalt einer Führungskraft
Einerseits hat eine Führungskraft umfassend zu denken und sich für komplexe Zusammenhänge zu interessieren. Diese generalistische Fähigkeit ist essenziell, um sich für relevante Einflüsse auf Entscheidungen offen zu halten. Die Fähigkeit, oft nicht für die Sache augenscheinlich nützliche Informationen zu erfassen und sie mit bereits vorhandenen Informationen in Beziehung zu setzen, ist äußerst wichtig um verantwortungsvoll Entscheidungen zu treffen. So ist zum Beispiel für Entscheidungen auf der taktischen oder gar gefechtstechnischen Ebene der Gesamtzusammenhang auf den übergeordneten Ebenen von großer Wichtigkeit. Denken wir an den „Strategic Corporal“, so sind nicht nur Handlungen, sondern auch die vorausgehenden Entscheidungen auf den unteren Führungsebenen von Bedeutung für das Gesamtgefüge der Handlungen auf den höchsten Entscheidungs- beziehungsweise Handlungsebenen. Führungskräfte haben somit übergreifend über mehrere Ebenen zu denken und zu handeln. Das Verstehen und Begreifen der Makroebene ist für Führungskräfte unabdingbar um erfolgreich führen zu können.

Der Generalist ist somit die Basis dafür, Entscheidungen und das daraus resultierende Führungshandeln in einen Gesamtzusammenhang einbetten zu können. Auf das Militär bezogen beschäftigt sich der Generalist, im Gegensatz zum Spezialisten, mit den Militärwissenschaften in ihrer Gesamtheit, ohne sich aber in der einen oder anderen Wissenschaftsdisziplin zu vertiefen.[10]
Die Führungskraft ist aber nicht nur Generalist, sondern auch Experte im Fachbereich. Für die militärische Führungskraft ist dies der Bereich der Militärwissenschaft. Diese umfasst unter anderem die Kerndisziplinen der Operation, der Taktik und vor allem der Logistik.[11] Die ausgeprägte Fach- und Methodenkompetenz in der Militärwissenschaft ist damit Voraussetzung, um während des Einsatzes von militärischen Kräften fundierte Entscheidungen zu treffen. Das Wissen über Aufgaben, die Charakteristika und Besonderheiten des Militärs und der Streitkräfte ist für eine erfolgreiche Truppenführung von großer Wichtigkeit. Experten der Militärwissenschaft haben zudem noch eine weitere wichtige Aufgabe im Gesamtsystem des Militärs. Sie sind das „Scharnier“ zwischen der Makro- und der Mikroebene im Militär. Als Dolmetscher zwischen dem Generalisten und dem Spezialisten leisten sie einen wesentlichen Beitrag zum Funktionieren des Systems.
Auf der Mikroebene finden wir eine weitere wichtige Rolle der militärischen Führungskraft. Spezialisten verfügen über eine vertiefte Kenntnis in einer der Teildisziplinen der Militärwissenschaft. Neben der Rolle als Generalisten und Experten[12] verfügen die militärischen Führungskräfte in der Regel über eine spezielle Fach- und Methodenkompetenz in einem Gebiet der Militärwissenschaft. Es kann sich hierbei um das spezialisierte Wissen in einer Waffengattung, einem Teilbereich einer Waffengattung oder aber um spezialisierte Fach- und Methodenkompetenz in der Taktik, Logistik oder Operation handeln. Je nach Führungssituation ist die Einnahme einer dieser Rollen erforderlich. Natürlich kommt es dabei auch zu Überschneidungen der verschiedenen Rollen.
Vom Führungserfolg als Ergebnis von Führungskompetenz
Erfolg als „positives Ergebnis einer Bemühung“[13] fußt auf drei wesentlichen Faktoren: dem Führungsmoment als Auslöser der Führungshandlung, der Entscheidungsdistanz als Vorbedingung für eine entsprechende Führungshandlung auf der jeweiligen Ebene und der daraus resultierenden Führungsruhe, welche es ermöglicht, Entscheidungen ohne gravierende zusätzliche Einflüsse von außen zu treffen.[14] Um einen Führungserfolg zu erzielen sind diese drei Faktoren in ausreichender Balance zu halten.
Erfolg fußt auf drei wesentlichen Faktoren: dem Führungsmoment als Auslöser der Führungshandlung, der Entscheidungsdistanz und der daraus resultierenden Führungsruhe.

Das Erkennen des Momentes, der die Führungshandlung auslöst, ist dabei nicht immer so offensichtlich. Die Führungskraft muss dabei über eine entsprechende Sensorik verfügen, die es ihr erlaubt diesen Führungsmoment auch wahrzunehmen. Das gelingt nur dann, wenn sich die Führungskraft nicht zu sehr im Detail verliert, also ihre Entscheidungsdistanz und damit auch die entsprechende Führungsruhe aufrechterhält.[15] Der Führungserfolg ist aber nicht nur von den drei genannten Faktoren abhängig, sondern im Besonderen von der Führungskompetenz, welche selbst wiederum durch drei weitere Faktoren bestimmt wird.

Zunächst wenden wir uns der Adaptionsfähigkeit zu. Diese steht für die situationsangepasste Wahl der richtigen Werkzeuge zur Lösung einer Problemstellung.[16] Diese Anpassung der Führung an die jeweilige Situation und Ebene des Handelns ist für erfolgreiche Führung eine Grundvoraussetzung. Neben dieser Anpassungsfähigkeit ist die Initiative zur Entscheidungsfindung beziehungsweise die Entscheidungsfreude ein weiterer Baustein zur erfolgreichen Führungstätigkeit. Diese Freude am Entscheiden sollte der Angst vor Entscheidungen entgegenwirken. Diese Angst ist oft allgegenwärtig, da mit jeder Entscheidung die Alternativen verloren gehen; man muss sich von den weiteren Optionen scheiden.[17] Dieser hemmenden Wirkung der Angst muss mit Entscheidungsfreude entgegengesetzt werden.
Der dritte Faktor ist die Orientierung am Menschen, denn Führung basiert auf dem dialektischen Verhältnis von Führungskraft und Geführten.[18] Führung ist damit immer für, mit oder gegen Menschen gerichtet. Diese Orientierung an den Menschen bedeutet jedoch auch, die Menschen mit den entsprechenden Kompetenzen zu beauftragen. Daher wird zudem, wie in der Kategorisierung der Offiziere nach Hammerstein-Equord, eine gewisse Menschenkenntnis vorausgesetzt.[19]

Kurt von Hammerstein pflegte seine Offiziere nach der obigen Darstellung einzuteilen. Er ging davon aus, dass Offiziere, welche über eine ausgeprägte Führungsruhe und eine gute Bildung verfügten, idealerweise für Führungsaufgaben heranzuziehen wären. Offiziere, welche nicht nur gebildet, sondern auch mit einem starken Umsetzungsdrang ausgestattet sind, wären die idealen Stabsoffiziere. Jene militärischen Führungskräfte, welche weder über einen ausgeprägten Intellekt noch über einen entsprechenden Tatendrang verfügen, sollten nur für Routineaufgaben herangezogen werden. Zu entlassen wären jene Offiziere, welche ungebildet und fleißig sind. Diese sind nach Hammerstein für das System besonders gefährlich, da sie unreflektiert Maßnahmen umsetzen ohne deren Folgen abschätzen zu können. Das bedeutet letztlich, dass erfolgreiche Führung nicht nur von guten Entscheidungen abhängt, sondern in sehr bedeutendem Umfang von einer adäquaten Umsetzung der Entscheidung selbst.[20]
Zu entlassen wären jene Offiziere, welche ungebildet und fleißig sind. Diese sind nach Hammerstein für das System besonders gefährlich, da sie unreflektiert Maßnahmen umsetzen ohne deren Folgen abschätzen zu können.
Vom Problem als Auslöser des Führungshandelns
Der Auslöser einer Führungshandlung ist ein Führungsmoment. Dieser Moment wirft in den meisten Fällen ein Problem auf, welches den planmäßigen Ablauf einer Handlung beeinflusst.[21] Es kann nun sein, dass die Erreichung des geplanten Ziels durch dieses Problem erschwert, behindert beziehungsweise sogar verhindert wird. Hier setzt die Führungshandlung an. Das Problem ist stets durch Kraft, Raum und Zeit definiert. Bestimmte Einflüsse, respektive Kräfte, werden zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmten Raum auf ein planvolles Vorgehen wirksam.
Im militärischen Kontext basiert auch die Entwicklung eines Planes immer auf einer Aufgabe oder Problemstellung. Während dem Anstreben zum Ziel summieren sich weitere Probleme zum ursprünglichen Problem hinzu. Die Ausprägung der drei Faktoren charakterisiert dabei die Problemstellung, sowohl bei der Erstplanung wie auch bei der Folgebeurteilung. Die Position des Problems zwischen den Faktoren bestimmt also dessen Charakter, wobei alle drei Faktoren, allerdings in unterschiedlicher Gewichtung, zum Problem beitragen. Das Problem ist dabei aus militärischer Sicht so umfassend, dass es nur durch das Zusammenwirken aller Elemente gelöst werden kann.[22] Dieser Zusammenhang zwischen Kraft, Zeit und Raum stellt die erste Ebene des Theresianischen Führungsmodells dar.

Sucht man nun nach der Lösung für das Problem, bedient man sich also der Führung als deren zentralen Faktor, um die Problemlösung zu ermöglichen, so muss diese (die Führung) das Problem adressieren. Die Führung oder besser gesagt die Führungshandlung muss problemadäquat sein. Letztlich hängt es von der Art des Problems ab, welche Ausprägung von Führung notwendig ist um erfolgreich zu sein. Dabei darf nicht vergessen werden, dass der primäre Adressat von erfolgreicher Führung immer die Gruppe der davon betroffenen Menschen ist. Damit liegt nahe, dass der vorrangige Faktor, welcher ein Problem charakterisiert, die Kraft darstellt. Diese ist in erster Linie die dynamischste der drei Komponenten, sie bewegt sich in Raum und Zeit. Hier wird auch die Argumentation von Clausewitz nachvollziehbar, wenn er davon spricht, dass Krieg weder Handwerk noch Kunst ist.[23] Beides setzt nicht den Menschen in den Mittelpunkt, sondern ein beliebiges Objekt, ein Ding. Für Clausewitz handelt es sich beim Krieg um ein soziales Phänomen, der Mensch als die Kraft tritt hier für ihn in den Fokus.
Probleme stellen in dieser Kraft-Raum-Zeit-Beziehung immer einen Ursache-Wirkung-Zusammenhang dar, der je nach Typologie des Problems unterschiedlich gestaltet ist. Welcher Typ von Problem vorliegt ist abhängig von der Art des Ursache-Wirkung-Zusammenhangs. Dies ist vor allem für die Anwendung der Entscheidungs-Ebene von Bedeutung. Die Charakterisierung der Probleme erfolgt mittels des Cynefin-Modells.[24]

Hier wird zwischen vier Ausprägungen von Problemen unterschieden. Die unterschiedlichen Ausprägungen bedürfen vor allem auf der Entscheidungsebene einer unterschiedlichen inhaltlichen Ausgestaltung. Damit sind, in Abhängigkeit vom Charakter des Problems, die Faktoren der dritten Ebene – der Entscheidungsebene – des Theresianischen Führungsmodells in Anlehnung an das Cynefin-Framework inhaltlich zu adaptieren.
Von den Formen der Führung
Bei der Beschäftigung mit dem Führungsbegriff hilft die Analogie zum Kriegsbegriff von Clausewitz. Das Chamäleon Krieg bewegt sich zwischen drei Eckpunkten: dem bloßen Verstand (der Regierung), der freien Seelentätigkeit (dem Feldherrn) und dem blinden Naturtrieb (dem Volk).[25] Die Ausprägungen der Führung können in gleicher Weise zwischen den drei Eckpunkten verortet werden. Führung bewegt sich zwischen den drei extremen Ausprägungen: dem Führungsdenken (dem Ziel/Problem-Denken, dem bloßen Verstand), dem Planen und Führen (dem Führen an und für sich, der freien Seelentätigkeit) und dem Tun (Durch- oder Ausführen, dem blinden Naturtrieb).

Führung als richtungsweisendes steuerndes Einwirken zur Erreichung einer Zielvorstellung ist nicht nur durch diese drei extremen Ausprägungen gekennzeichnet, sondern auch von der Ebene, auf der sie erfolgt, mitbestimmt. Im militärischen Kontext wird Führung auf der militärstrategischen, der operativen, der taktischen und der gefechtstechnischen Ebene geleistet. Je nach Ausprägung nähert man sich einer der drei Extremformen der Führung. Das Zieldenken ist dabei eher der strategischen und operativen Ebene, im Sinne von strategischen beziehungsweise operativen Zielvorgaben/Problemstellungen, zuzuordnen. Das Planen und Führen, als Ausrichtung am Ziel/Problem und die konkrete Zielerreichungsmaßnahme/Problemlösung, ist dem Bereich von der operativen zur taktischen Führungsebene zuzuschreiben. Das Tun beziehungsweise Ausführen, als Umsetzung der Maßnahmen, findet von der taktischen zur gefechtstechnischen Ebene statt.
Führung ist auch von der Ebene, auf der sie erfolgt, mitbestimmt.
Führung beinhaltet immer alle drei Faktoren, aber je nach Ebene und Problemstellung in unterschiedlicher Gewichtung. Wenn man die bisher beschriebenen Ebenen übereinanderlegt, sollte die Führung sich mit dem Problem in Deckung bringen lassen. Selbiges gilt auch für die jeweils anderen Faktoren der jeweiligen Ebene des Führungsmodells. Das Denken ist maßgeblich durch den Faktor Raum beeinflusst, das Tun, die konkrete Handlung vom Faktor Zeit und die Durchführungsplanung, das Führen an und für sich, ist stark abhängig vom Faktor Kraft, also den Akteuren der konkreten Problemsituation.
Von der Entscheidung als Problemlösung
In der dritten Ebene des Theresianischen Führungsmodells geht es um die Entscheidung als Ergebnis der Führungshandlung. Diese Entscheidung fußt auf einer wissenschaftlichen Methode, welche in einem dialektischen Vorgehen zu einer Problemlösung beiträgt. Hier treffen Empirie und Rationalität als Gegensätze aufeinander, um sich mittels der Urteilskraft zu einer Entscheidung zu synthetisieren.[26] Dieses Prinzip des Ansprechens, Bewertens und Folgerns ist wesentlich, um gut begründet und vor allem nachvollziehbar zu einer Entscheidung zu gelangen. Hier lassen sich schon wesentliche Kriterien der Wissenschaftlichkeit erkennen. Hinzu tritt noch die Verantwortung für die Entscheidung, also Auskunft darüber geben zu können, warum man die Entscheidung so getroffen hat wie sie getroffen wurde.
Betrachtet man die inhaltliche Ausgestaltung der Schritte dieses Verfahrens, so muss hier nochmals auf die Einteilung der Typen von Problemen nach dem Cynefin-Framework eingegangen werden. Bei einem offensichtlichen Problem ist das klassische Ansprechen-Bewerten-Folgern mit dem darauf aufbauenden Entschluss anzuwenden. Hier ist das Bewerten als Kategorisierung des Problems zu verstehen, auf deren Basis dann mittels der Urteilskraft eine Entscheidung zu fällen ist. Ist die Problemstellung von komplizierter Art, so ist im Rahmen der Rationalität eine Analyse hinsichtlich der Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge anzustellen und darauf aufbauend die Entschlussfassung durchzuführen. Bei einem komplexen Problem ist im Rahmen der Empirie mittels Experiments festzustellen, wie sich die Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung darstellen, um nach Mustern zu suchen, welche die Grundlage für eine Bewertung und die anschließende Entscheidung sind. In chaotischen Problemlagen sind Entscheidungen ohne ausreichende Informationen, also heuristisch, zu treffen. Durch mehrmaliges Durchlaufen des Prozesses kann dann im Zuge einer stetigen Annäherung ein Zustand der Normalisierung erreicht werden.[27] Die Offenheit der Entscheidungs-Ebene lässt also eine Anwendung auf die unterschiedlichen Problemlagen zu.
In chaotischen Problemlagen sind Entscheidungen ohne ausreichende Informationen zu treffen. Durch mehrmaliges Durchlaufen des Prozesses kann dann im Zuge einer stetigen Annäherung ein Zustand der Normalisierung erreicht werden.

Legt man nun diese Ebene über die beiden anderen, so sollte die Entscheidung mit der Führung und dem Problem in Deckung sein. Auch der Bezug der drei Faktoren zu den drei Faktoren der jeweiligen anderen Ebenen ist hier einfach zu erkennen.